In Deutschland werden pro Jahr rund 220.000 neue Hüftgelenke und ca. 200.000 neue Kniegelenke eingesetzt. Das sind rund 20 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren.
In früheren Jahren war allein der Schmerz das entscheidende Kriterium für die Wahl des Operationszeitpunktes. Einer der wichtigsten Faktoren ist jedoch die Lebensqualität, obgleich sich diese für jeden Menschen anders definiert. Für den Einen bedeutet sie, noch selbständig einkaufen gehen; jemand anders empfindet sie bei der Golfpartie am Samstagmorgen. Lange Zeit galt das Alter als limitierender Faktor. Der Satz „Keine Prothese vor 60“ ist jedoch schon lange nicht mehr haltbar. Die Arthrose führt zu eingeschränkter Beweglichkeit des Gelenkes und zu Muskelabbau. So sollte bei einer schweren Arthrose und wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, auch bei jüngeren Patienten, über ein Kunstgelenk frühzeitig nachgedacht werden.
Jahrelang galt, solange die Zähne zusammen beißen zu müssen, bis das Kunstgelenk unumgänglich ist. Bestenfalls ließ sich dieser leidvolle Prozess durch Schmerzmittel lindern. Die aus der Kniechirurgie bekannten minimalinvasiven Operationen und die Arthroskopie (Gelenkspiegelung) findet nun auch zunehmend in der Hüftchirurgie Anwendung. Das heißt, wir können unseren Patienten häufig auch eine Operation anbieten, bei der die kaputte Hüfte bzw. das kaputte Knie nicht ersetzt, sondern repariert wird. Das eigene Gelenk als Antriebszentrum unseres Körpers ist immer besser als ein Kunstgelenk. Gerade für jüngere Patienten sind die neuen, hüfterhaltenden Methoden interessant. Zumal unsere Patienten in den Wartezimmern der Schulter-, Hüft- und Kniespezialisten heute deutlich jünger und insbesondere mobiler sind als früher.
Für Operateure und Kunstgelenkentwickler bietet das Kniegelenk schwierigere Voraussetzungen als das Kugelgelenk Hüfte oder das Schultergelenk mit seiner vergleichsweise einfacheren Anatomie und Bewegungsform. Neben so genannten „halben Kunstgelenken“ (sog. Schlittenprothesen) kommen der komplette Oberflächenersatz im Sinne einer Überkronung wie beim Zahn, spezielle Kunstgelenke bei Allergie, achsgekoppelte Kunstgelenke nach dem Baukastenprinzip und ein geschlechtsspezifischer Knieersatz mit speziell auf die Anatomie der Frau abgestimmten Frauenkunstgelenke bei uns zur Anwendung.
Neben den Fähigkeiten des Operateurs und der Wahl des richtigen Implantates spielt die Gleitpaarung der Kunstgelenke eine, wenn nicht sogar die entscheidende Rolle für den langfristigen Erfolg des Gelenkersatzes. Durch den Einsatz neuartiger Materialien verlängert sich die Lebensdauer der Kunstgelenke mit Standzeiten von 15 bis 20 Jahren stetig.
Praktisch alle in unserer Klinik verwendeten Kunstgelenke funktionieren nach einem „Baukastensystem“, das eine höchstmögliche Variabilität nicht nur vor und während sondern auch nach der Operation bietet. Wenn ein Reifen am Auto kaputt ist, muss nicht automatisch auch die Felge ausgetauscht werden. Verschleißt beispielsweise nur ein kleines Teil eines künstlichen Gelenkes, muss nicht gleich die Gesamtkonstruktion erneuert werden. Natürlich hängt die Notwendigkeit und Anzahl möglicher Wechseloperationen auch von der Knochensubstanz und der Qualität der Kunstgelenke ab.
Der Wunsch unserer Patienten nach individuellen Lösungen ist größer denn je. So haben wir neben unserer speziellen „Frauenknieprothese“ eine knieendoprothetische Versorgung buchstäblich „nach Maß“ anhand einer Navigation vor der Operation mittels Kernspintomographie etabliert (sog. Patientenspezifisches Instrumentarium - kurz PSI). Die patientenspezifischen Daten werden auf einen Server hochgeladen, erfahrene Ingenieure analysieren sämtliche Daten und fertigen ein 3D-Designmodell des Kniegelenkes und der Schneideblöcke an. Die Vorteile dieser innovativen, passgenauen Instrumentarien liegen auf der Hand. Für uns Operateure bedeutet diese neue Technik bei reproduzierbarer, gleicher oder sogar verbesserter Qualität des OP-Ergebnisses eine deutliche Zeitersparnis. Für die Patienten sinkt bei etwas höheren Kosten das Komplikationsrisiko mit geringerem Blutverlust, niedrigem Infektionsrisiko und verkürzter OP-Dauer.
Das Kunstgelenk wird dabei minimalinvasiv durch kleine Hautöffnungen eingebaut. Den Patienten wird der kleine und ästhetische Hautschnitt als Non-Plus-Ultra moderner Operationstechniken angepriesen. Minimalinvasiv bezeichnet jedoch ein schonendes Operationsverfahren, bei dem Sehnen, Muskeln und andere Weichteilstrukturen möglichst wenig geschädigt werden. Dies führt dazu, dass der Patient sich nach der Operation schneller erholt, früher aus dem Krankenhaus wieder nach Hause und in die Rehabilitationsklinik entlassen werden kann.
Viele Metalle können allergische Reaktionen auslösen. Man kann aber noch keinen Zusammenhang zwischen einer Kontaktallergie auf der Haut (Nickel, Kobalt, etc.) und der Kunstgelenkallergie herstellen. Es gibt Patienten, die eine Kontaktallergie aber kein Kunstgelenkproblem haben und umgekehrt. Leider haben sogenannte Hauttests mit „Legierungsblättchen“ wenig Aussagekraft über eine mögliche Implantatallergie. Wir halten spezielle „Allergiekunstgelenke“ und spezielle Gleitpaarungen vor, um im Einzelfall das Risiko für den Patienten so gering wie möglich zu halten.
Neben den gewebeschonenden Operationstechniken, knochensparenden Implantaten nach dem Baukastensystem und in Zukunft der „Navigation vor der Operation“ sind eine gute Operationsvorbereitung, die Patienteninformation, eine intensive Schmerztherapie und eine moderne Physiotherapie für den Operationserfolg entscheidend. Eine gute Operationsvorbereitung, insbesondere die Aufklärung des Patienten über die Operation und die genauen Abläufe im Krankenhaus, kann Stress und Anspannung des Patienten enorm mindern. Auch die Schmerztherapie hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Nur so können wir unsere Patientenunmittelbar nach der Operation bereits in Ihrem Zimmer mobilisieren.
Schon kurze Zeit nach der Operation verläuft das Leben in denselben Bahnen wie zuvor. Bald schon kann man wieder Sport treiben. Wie bei der Arthrose empfehlen wir Sportarten mit weichen, runden Bewegungen, die das Gelenk nicht stark belasten wie Nordic Walking, Radfahren oder Schwimmen. Die neu gewonnene Bewegungsfreiheit sollt jedoch nicht überstrapaziert werden. Auf das Heben schwererer Lasten sollte man ebensowie auf Ballkontaktsportarten verzichten.
Der Einbau eines Kunstgelenkes bedeutet nicht die Heilung einer Erkrankung, sondern ist mit Standzeiten von 15-25 Jahren und möglichen Wechseloperationen der Beginn einer lebenslangen Bindung an Ihr Krankenhaus. Dies verdeutlicht die Verantwortung, die wir für unsere Patienten übernehmen und unterstreicht die Notwendigkeit zur Auswahl des richtigen Implantates, sowie zur absolut sorgfältigen Planung, technischen Durchführung und Nachsorge solcher Operationen, stets angelehnt an den aktuellen Wissensstand. Wir begleiten unsere Patienten mit einem Kunstgelenk nach dem Motto „Uns bewegt, was unsere Patienten bewegt“ auf Wunsch ihr ganzes Leben lang.
Ein wichtiges Dokument, das Sie immer bei sich tragen sollten! Nach der Operation erhalten Sie von uns den Endoprothesenpass: Ein auf Sie ausgestelltes Dokument, das neben Ihren persönlichen Daten, wie Name und Anschrift, auch Nachsorgetermine enthält. Außerdem wird dort festgehalten, welchen Prothesentyp Sie zu welchem Datum erhalten haben. So können Sie jederzeit Ärzten, Krankengymnasten oder Physiotherapeuten schnell fachliche Informationen liefern. Auch bei Kontrollen z. B. an Flughäfen kann dieser Nachweis unter Umständen wichtig sein.